Reiseberichte 2003

Juni 2003:                                                                                        

13.06.03 - 29.06.03

Törn: Amsterdam - Lissabon,  2. Etappe der Weltumsegelung mit der ATAIR

Strecke: 1258,5 sm

Crew: Inge, Fritz, Herbert, Franz, Wolfram

Endlich ist es so weit! Nach generalstabsmäßiger Vorbereitung treffen wir uns wie verabredet auf dem Bahnhof Mannheim bepackt mit Seesäcken und Taschen klotzig schwer; nicht nur wegen der Seemannsausrüstung sondern auch gefüllt mit Pfälzer-Dosenwurst, Schwartenmagen und was man noch so braucht.
Alle waren pünktlich auf dem Bahnsteig: der Fritz, die Inge, der Franz und der Herbert - nur der Intercity wollte nicht kommen. Eine halbe Stunde sollte es noch dauern! Das war unserem Herbert zu viel. Er sauste noch einmal in die Bahnhofshalle um Eis zur Kühlung zu ergattern.
Doch als er zurückkam, stand er mit dem Eis alleine da. Der Zug war schon fort. Ein ICE brachte den „Eismann” dann doch noch so schnell nach Köln, daß er vor dem Haupttross auf dem Bahnsteig stand. Glücklich setzten wir die Fahrt nun gemeinsam fort.
Als erstes bestaunten wir die stolze Atair, seetüchtig schaut sie aus! Und Franz meinte: Wolfram, es schaut gut aus!
Wolfram, unser Skipper, hatte alles für unsere Ankunft bestens vorbereitet. Wir stießen mit einem guten Cognac an auf unsere Segeltour nach Lissabon und ließen den Tag ausklingen mit einem Bummel durch die Altstadt von Amsterdam - wie richtige Seeleute-.

Am Freitag dem 13.06. gegen 11.00 Uhr legten wir ab. Herrliches Wetter - nur nicht zum Segeln! Der Wind blies mit 2-3 bf t aus West und der Himmel war wolkenlos! Gegen 12.30 Uhr passieren wir die Schleuse vom Nordseekanal. Das Land wird immer kleiner! Unser Kurs zeigt auf die Küste von Dover.
Die Stimmung an Bord ist Spitze aber auch voller Erwartungen, steht doch die erste Nacht mit den bekannten Navigationsproblemen bevor.
Aber da konnte ja nichts anbrennen. Wir hatten ja außer unserem Skipper noch Fritz und Inge, die Atlantiküberquerer, an Bord. Schließlich war es eine ganz ereignislose Nachtfahrt.

Am folgenden Tag frischte dann der Wind auf, leider nicht zum Segeln! In der folgenden Nacht wurde es dann richtig spannend: wir querten ein Verkehrstrennungsgebiet.
Viele Frachter mit bedrohlich hohen Aufbauten kreuzten unseren Weg, sodaß wir mindestens einmal unseren Kurs dramatisch ändern mußten!
Inzwischen hatte sich an Bord der Alltag eingeschlichen. Jeder hatte seine Aufgaben und alle waren glücklich, als abends gegen 18,00 Uhr die Kreidefelsen von Dover in Sicht kamen.

Wir beschlossen bis Brighton die Nacht durch weiter zu fahren wegen einer angekündigten Wetteränderung.
Irgendwie kamen wir jedoch nicht auf Fahrt! Vielleicht ist es ja der Ebbstrom dachten wir. Der Skipper war es, der als erster entdeckte, daß wir ein Fischernetz mitschleppten. Das war aber nur möglich, weil er die Sicherheit außeracht ließ und seine Entsorgung achterlich bewerkstelligte. Schnell wurde der Motor abgeschaltet und mit dem Bootshaken versucht, uns von dem „Fang” zu befreien. Zum Glück gelang dies erstaunlich einfach. Wir hatten Glück gehabt, daß sich der Netzfetzen nicht in der Schraube verfangen hatte.
Teilweise gegen den Ebbstrom erreichten wir am Sonntag bei Ebbe gegen 4.00 Uhr Ortszeit den Hafen von Brighton. Es schaute Schlick heraus und die Betonummauerung des Hafenbeckens machte einen bedrohlichen Eindruck.
Jetzt konnten wir unsere Beute vom vergangenen Tag richtig beäugen: das gefangene Netzstück war über 15m lang und 2m breit! Wir hatten Glück im Unglück!
Der Sonntag ist ausgefüllt mit Rundgang und Besichtigung von Brighton. Es ist sommerlich warm und die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel. Hauptattraktion an diesem Tag ist ein Volksradrennen von London nach Brighton. Die Stadt ist voll von jungen Leuten!
Es müssen mehr als 10000 Radfahrer unterwegs gewesen sein. Bis in den späten Nachmittag treffen die Fahrer am Palace Pier, dem Ziel der Tour, ein.
Wir genießen die quirlige Stadt und besichtigen The Royal Pavillon und The Museum of Art.
Am Montag, den 16.6. um 7.00Uhr legen wir ab in Richtung Falmouth, unsere letzte Station in Südengland vor dem Queren der Biskaya.
Schon am Tage begegnen wir des öfteren militärischen Schiffen. In der folgenden Nacht nähern wir uns einer Boje, die wir auf den Karten nicht kennen. Beim Passieren erkennen wir, daß die Boje ein U-Boot Übungsgebiet kennzeichnet. Also nix wie weg!

Am 17.6. gegen 17.00 Uhr laufen wir in den Hafen von Falmouth ein. Der Meeresarm, das Delta der Fal, bietet einen wunderbaren natürlichen Hafen. Als wir einliefen, fand gerade eine Segelregatta vor der wunderbaren Landschaftskulisse statt. Wie ein Dinosaurier bewegte sich ein Fährschiff der P&O-Flotte mitten hindurch.

Am 18. und 19.6. ist Nebel und Nieselregen angesagt. Wir warten auf Wetterbesserung und vertreiben uns die Zeit mit Exkursionen zur Burg, in die Stadt und die nähere Umgebung.

Es ist Freitag, der 20.6. Der Wetterbericht verspricht für die nächsten Tage günstiges Wetter. Auch die eigenen Himmelsbeobachtungen stimmmen optimistisch.
Wir legen gegen 10.45 Uhr ab. Am Lizard Point (letzte Landmarke) sind wir gegen 12.40 Uhr querab. Unsere Geschwindigkeit ist 6.5 sm/h über Grund. Unser Ziel ist die Küste von Spanien, das Cap Finisterre. Die Entfernung beträgt 360 sm.
Es wird eine sehr unruhige Nacht. Der Wind hat gedreht. Die Wellen kommen aus verschiedenen Richtungen. Das Schiff läuft aber ruhiger als wir die Fock am Morgen setzen.
Gegen 8.00 Uhr am 21.6. haben wir ein tolles Erlebnis. Um unsere Yacht tummeln sich hunderte von Thümmlern. So schnell wie sie da waren, sind auch wieder weg.

Bei Windstärke 5-6 findet das Frühstück nur im Stehen in der Küche statt: man klemmt sich ein mit den Knien zwischen Spüle und Küchenschrank.

Gegen Nachmittag überschreiten wir die Kontinentalschwelle. Hier fällt die Seetiefe von im Durchschnitt 100 m auf 4600m ab. Von hier ab wird die See ruhiger und wir können erstmals segeln.
In der folgenden Nacht ist fast kein Schiffsverkehr. Unser Nautikoffizier, Fritz, vermeldet gegen 1.00 Uhr: der halbe Weg über die Biskaya ist geschafft: 180 sm.
Der Jubel ist der Tageszeit angemessen verhalten. Manch einer denkt vielleicht noch
180 sm!
Vor dem Sonnenaufgang am 22.6. spielen Delphine mit unserem Boot. Sie springen, durchtauchen es, schwimmen auf dem Rücken und springen paarweise auf das Kommando
„ale - hopp”. Mit einmal ist der Spuk vorbei.
Gegen Mittag schauen unsere Freunde, die Delphine noch mal vorbei.

Ab 17.00 Uhr nimmt der Seegang heftig zu. Die Wellen kommen quer von Steuerbord und sind 1,5-2.0 m hoch. Mit dem Vorsegel gelingt es unserem Skipper das Boot in einen relativ stabilen Lauf zu bringen.
Gegen 19.00 Uhr kommen die Delphine noch einmal um uns gute Fahrt für die Nacht zu wünschen.
Wir können bei der Schaukelei in der Nacht in den Schichtpausen kaum ein Auge zumachen.

Am Montag, den 23.6.gegen 13,00 Uhr UTC kommt Land in Sicht!
Um 19,36 Uhr liegt Cap Finisterre querab.
Wir stoßen an und freuen uns über die glückliche Überfahrt, vor allem weil uns der Wetterfunk schwere Stürme über der Nordsee und dem Ärmelkanal meldet. Die Stürme können uns nun nichts mehr anhaben.
Am 24.08. legen wir morgens um 8.30 Uhr in Bayona an.
Ein freundlicher Hafen mit herrlicher Kulisse durch die Stadt und die Burganlage. Wir bummeln durch die Stadt, laufen auf der Burgmauer um die alte mittelalterliche Burganlage, in der es auch einen Parador gibt und schlafen erst einmal richtig aus, ehe wir am nächsten Morgen mit einem Toyota nach Santiago de Compostela fahren.
Der Eindruck dieser Stadt ist wie der einer überdimensionalen Theaterkulisse!
Wir kamen aus dem Staunen und Bewundern der vielfältigen Kombinationen der Baustile wie Romanik, Gotik, Renaissance mit churrigueresken Bauten und klassizistischen Palästen nicht mehr heraus.
Natürlich haben wir alle die Apostelsäule im Portico de la Gloria der Kathedrale einmal berührt um den Segen für die weitere Fahrt auf hoher See mit der Atair zu erbitten.
Auf dem Heimweg gabs noch ganz romantisch direkt am Meer bei Sonnenuntergang eine gute Fischmalzeit. Der Rotwein floß in Strömen bis auch Franz das provisorische Lokal super fand.
Am 26.06. legen wir gegen 10.30 Uhr ab zur Fahrt nach Peniche. Der Wind frischt auf und wir rüsten uns wieder für eine Nachtfahrt. Da wir praktisch immer in Sichtweite zum Land fahren, haben wir viel Kontakte mit Fischern, die wir immer argwöhnisch beäugen, wegen ihrer unberechenbaren Schiffsbewegungen.
Am Freitag, d. 27.06. wird in Peniche festgemacht.
Vom Anlegeplatz schaut man auf eine festungsähnliche Burganlage, die , wie wir später noch sehen, es in sich hat.
Franz und Herbert machen sich bald auf, die Burganlage in Augenschein zu nehmen. Das in der Burg eingerichtete Museum ist eine Gedenkstätte für die hier früher gefangen gehaltenen politischen Gegner des Regims. Ein gruseliger Ort.
Da passiert es: Franz ist spurlos und geräuschlos verschwunden. Auch die Museumswärterinnen, die Herbert beim Suchen in den verschiedenen Verließen halfen, konnten ihn nicht finden. Vielleicht ist er ja in eine Zysterne mit Wasser gefallen?
Auch der Anruf bei der Atair brachte keine Klarheit. Eine Stunde später taucht Franz aus dem Nebel wieder auf. Wahrscheinlich hat er die „Auszeit” gebraucht.

Am drauf folgenden Samstag machen wir einen Ausflug per Bus nach Obidos.
Obidos ist als gesamter Ort unter Denkmalschutz gestellt. In landschaftlich wunderbarer Umgebung liegt ein vollständig erhaltener mittelalterlicher Ort der von einer geschlossenen Stadtmauer umgeben ist. Es ist ein abenteuerlicher aber herrlicher Weg auf der Stadtmauer um den Ort herum.
In einer kleinen Taverne direkt neben der gewaltigen Ölpresse genießen wir den schönen Tag bei Oliven, Käse und Rotwein.

Am Sonntag wird abgelegt zur letzten Etappe nach Lissabon
Dabei werden wir noch einmal auf unsere Seetüchtigkeit so richtig geprüft: Wind aus Süd mit Stärke 6-7 und es gibt immer wieder starke Regenschauer. Aber wie heißt es doch schön: Ende gut alles gut! Bei Dunst und schlechter Sicht laufen wir in die Bucht von Lissabon ein und sind am Ziel unserer Reise. Um 19.00 Uhr legen wir im Hafen Alcantara von Lissabon an.
Als Abschluß des Segelturns wird am nächsten Tag die Stadt zunächst mit einem Stadtbus „oben ohne” und dann zu Fuß erobert. Den größten Reiz auf uns hatten die zahlreichen Straßenkaffees, besonders eins.
Am Abend lauschen wir den melancholischen Klängen des Fado von Ana Vera im Restaurante Dissee und denken an die schönen Erlebnisse und Tage auf der Atair.
Am 01.07. heißt es Abschiednehmen.
Doch wie beim Fußball wissen wir: nach einem Segelturn beginnt die Zeit vor einem Segelturn!

Herbert
 

       

Vorbereitung auf die nächste Etappe (v.l.n.r: Fritz, Franz, Herbert)

Volksradfahren London-Brighton

Delfine begleiten die ATAiR

Santiago de Compostela (v.l.n.r: Fritz, Inge, Herbert, Franz )

Bayona Burg

Morgenstimmung vor Peniche

Kachelbild

Crew der 2. Etappe (vlnr: Herbert, Inge, Fritz, Franz, Skipper Wolfram)
 

Juli 2003: